Aufzeichnungen einer Ehehure 1

Ich schätze, ich war schon immer ein wenig seltsam. Meistens habe ich es mir damit erklärt, dass meine „Kabel im Kopf“ irgendwie „falsch gepolt“ sind. Und mit heftigen Kinks aufzuwachsen, bedeutet vor allem, schnell zu lernen, solche Dinge für sich zu behalten. In den Köpfen meiner Freundinnen damals in der Schulzeit mochten allerlei Dinge vorgehen – doch sicherlich nicht das, was bei mir vorging. Und ich wollte nicht zum Gegenstand von Flüsterpost werden.

Ich war schon immer vom Rotlichtmilieu fasziniert. Als Leinwand für meine heimlichen Fantasien. Ich entstamme ja einer eher normalen mittelständischen Familie, habe mittlere Reife und grundsätzlich keinen konkreten Anlass, ins gesellschaftliche Abseits abzurutschen.

Es waren eben alles nur Fantasien.

Bei solchen Tagträumen stellt sich eben die Frage, wie weit die träumende Person bereit ist, diese Dinge zu erleben. Meine heimliche Fantasie, eine Dirne zu sein, war derartig abwegig, gefährlich und vermutlich auch ungesund, dass ich stets genug Verstand besaß, um der Versuchung zu widerstehen. Ich war mir relativ früh darüber im Klaren, dass dies nur eine Spinnerei war, eine Masturbationsvorlage.

Als solche hatte ich sie auch stets ausgelebt. Wenn ich mir genussvoll meine Muschi streichelte und dabei die Augen schloss – versetzte ich mich in dunkle Seitenstraße, öffentliche Toiletten, Bordelle und verregnete Autobahnraststätten, wo ich mich zwischen den Lastwagenfahrern herumtrieb. In meiner Fantasie waren das natürlich alles glorreiche Erlebnisse.

Über die Jahre verfeinerte ich meine Kopfkinos. Ich verlor das Interesse an gewissen Klischees, wie den Puff als Austragungsort meiner Vorstellung. Was sich hingegen zunehmend durch setzte war die Rolle einer Hobbyhure, die die Männer in ihrer eigenen Wohnung empfängt und dies heimlich und unauffällig tut. So konnte ich mir leichter vorstellen, dass meine eigene Wohnung das Spielfeld meiner eigenen Fantasien ist.

Hierbei kam mein winziges Gästezimmer gut zur Geltung. Es hatte selten als echtes Gästezimmer gedient. Die meiste Zeit war es nur die Abstellkammer für Wäsche, Kartons und grundsätzlich alle Sachen, bei den ich zu faul war, sie richtig aufzuräumen. Aber ein kleines Bett war da. Nicht bezogen, nur mit einer alten Matratze. Das Bett fiel kaum auf, steckte man den Kopf ins Zimmer, denn es war vollgestellt mit Kleiderkartons und altem Kram.

Irgendwann muss ich mir gedacht haben, dass dies eine interessante Gelegenheit war, endlich den Raum zu entrümpeln. Meine Lust wurde zu einer effektiven Motivation. Das Projekt dauerte einen halben Sonntag, doch am Ende war das Zimmer gänzlich leer geräumt. Alles was blieb, was dieses alte grüne Bett, mit der kargen Matratze oben drauf. Daneben ein winziger Nachttisch mit einem Schränkchen. Dort drin verstaute ich meine Dildos, die Plastiktube mit dem Gleitmittel. Und oben auf das Schränkchen eine offene Packung Kleenex.

Es war das perfekte Setting für meine Fantasie. Ich hatte es sogleich getestet und vergnügte mich mit meinem kleinen Rollenspiel.

Nun – dabei wäre es wohl geblieben – und unsere Geschichte wäre an dieser Stelle zu Ende. Ich hoffe, es hat euer Interesse geweckt, machts gut und schreibt mal was Nettes in die Kommentarecke.

Doch das ist nicht das Ende der Geschichte.

Erwähnung verdient an dieser Stelle sicherlich Heiko, den ich einige Jahre später kennengelernt hatte und der für eine Weile mein Liebhaber war. Wir sahen uns nicht oft, denn er war verheiratet – aber wenn wir uns bei mir trafen, ging es dann auch recht heiß her. Heiko hatte einen sehr verspielte Art und war für allerlei Rollenspiele offen. Ich war bemüht, da keine Spaßbremse zu sein. So kam es dann dazu, dass wir in meinem frugalen Hurenzimmer auch mal ein entsprechendes Rollenspiel aufführten. Ich war die Prostituierte, er der Freier. Wir haben dabei gut gepoppt und den Fünfzig-Euro-Schein wollte er dann allerdings zurückhaben.

Es war OK. Aber auch nicht weltbewegend. Ich schätze es gibt zwei Arten von Rollenspielen: A) Rollenspiele die etwas beinhalten, was im echten Leben niemals umsetzbar wäre (darunter fallen dann all die exzentrischen Fantasien, wie eine unanständige klinische Untersuchung, oder die sexuelle Bestrafung der Ladendiebin), und B) Rollenspiele, die etwas darstellen, das eigentlich schon umsetzbar wäre, aber den beteiligten Personen mangelt es an Mut, es anzugehen.

Und das Straßenstrich-Rollenspiel gehörte eindeutig zur zweiten Kategorie.

Das Problem mit solchen heimlichen Sehnsüchten besteht vor allem darin, dass sie immer da sind und immer an der Seele nagen. Ich schätze, am einfachsten ist es, wenn man in seinen Tagträumen davon fantasiert, von besonders lüsternen Außerirdischen entführt zu werden. Da man niemals damit rechnet, dass es wirklich passieren wird. So kann man dann vollständig in der Fantasie aufgehen und hat dabei niemals das Gefühl, sich selbst zu belügen.

Das war bei mir anders. Jedes Mal wenn ich das leere winzige Gästezimmer sah, mit dem grünen Bett, der alten Matratze darauf und der Kleenexschachtel auf den Nachttisch, war ein Teil von mir mit dem Gedanken beschäftigt, dass die Umsetzung einer solchen Sehnsucht eigentlich einfach ist und keineswegs unmöglich. Es verlangt nur nach etwas Mumm…

Manchmal dachte ich daran, wie ich das angehen würde. Ich malte mir die einzelnen Schritte aus. Wie ich in Kurz und Fündig die Kontaktanzeigen platziere, wie die Männer mir antworten, was ich ihnen schreibe, wie ich mich vorstelle, welche Preise ich verlange. Oft führten solche Tagträume nur dazu, dass ich mich nackt auszog, auf das schmale grüne Bett fallen ließ und meine Klitoris rieb.

Oft belog ich mich selbst und redete mir ein, dass ich mir nur deshalb all die praktischen Details über Kontaktanzeigen und Emails ausmalte, um mich für die Selbstbefriedigung schärfer zu machen. Doch die Wahrheit war, dass ich mir all diese Schritte und Details im selben Sinne ausmalte, wie ein Mensch am Rande einer Klippe sich den eigenen tiefen Sprung in einen See ausmalt. Ab einem gewissen Augenblick ist es keine Fantasie mehr, es ist Vorbereitung.

Doch in diesem Zustand vergingen ganz Jahre. Ich war inzwischen 36 Jahre alt, arbeitete in einem eher unscheinbaren Bürojob und kompensierte eine gewisse Langeweile im Leben mit unverbindlichen Bekanntschaften und Affären.

Auf diese Weise lernte ich Nick kennen. Wir hatten uns online in einer Chatline kennengelernt, halbe Nächte mit dem Quatschen über Gott und die Welt verbracht und so beschlossen, uns zu treffen. Unser erstes Date war ein Erfolg, endete in meinem Schlafzimmer – nicht im „Gästezimmer“ – und so wurde zunehmend eine reguläre Sache daraus. Ich schätze, heute nennt man das eine „Freundschaft Plus“.

Was ich an Nick toll fand, war aber nicht unbedingt der Sex, sondern dass wir uns gut verstanden und dass ich ihm vertrauen konnte. Wir begannen bei unseren Treffen exotische Cocktails zu mixen und lachten oft – etwas bedüdelt – bis tief in die Nacht.

Der Alkohol hat freilich die Angewohnheit, die Zunge in einer besonderen Weise zu lösen. So dass wir gar nicht so scheu waren, auch mal über unsere sexuellen Abenteuer zu plaudern. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir auf unerfüllte Sehnsüchte zu sprechen kamen.

Ich werde den Augenblick nie vergessen, als er mir erzählte, seine heimlichste Fantasie sei eine Frau, die mit anderen Männern schläft. Das ihn das schon immer erregt hat.

Hätte er mir das erzählt, NACHDEM ich ihm meine Antwort gegeben hatte, ich hätte eher geglaubt, dass er es sich schnell ausgedacht hatte, um mit meinen Gelüsten möglichst kompatibel zu wirken. Doch ich hatte zu diesem Zeitpunkt nichts über meinen heimlichen Dirnen-Fimmel erzählt. So machte ich ganz schöne Augen.

„Du meinst, wie so ein submissiver Cucki, mit Knebel im Mund?“, fragte ich (zum Schein verwundert).

„Nein!“, lachte er auf. „So ticke ich nicht. Ich mag die Vorstellung einfach grundsätzlich. Die Idee, dass meine Ehefrau oder Lebensgefährtin irgendwo nebenan gerade fickt. Ich höre ihre Stimme … Vielleicht sehe ich auch heimlich zu… Aber es ist mehr so ein alltägliches Gefühl. Ich fühle mich dabei nicht besonders devot, oder so. Ich kann es leider nicht so genau erklären, was mich daran scharf macht.“

Für einen Augenblick sank meine Kinnlade, doch ich fasste mich schnell. Ich kippte den Rest des Longdrinks hinter die Kiemen, stand etwas unsicher auf und griff nach Nicks Handgelenk.

„Komm mit, ich muss dir etwas zeigen!“.

Er folgte mir willig ins Flur und ich machte die Tür zum Gästezimmer auf. Blind griff ich hinein und betätigte den Lichtschalter. Wir standen beide auf der Schwelle und blickten in das karge, kalte Zimmer hinein.

„Ich mache es mir immer hier“, erklärte ich ihm vertrauensvoll, „und stelle mir dabei vor, dass ich anschaffe.“

Meine geheime Fantasie, als Hobbyhure unterwegs zu sein, war ausgeplaudert. Nick schluckte faszinierend.

„Mich würde es total anmachen, wenn meine Frau nebenan für Geld ficken würde. Als Hobbyhure …“, flüsterte er. Wir umarmten und küssten uns. Dann blickte er wieder in das halbleere Zimmer rein. „Etwas fehlt hier.“

„Was denn?“, wunderte ich mich.

„Eine alte Holzschachtel. Vielleicht eine Zigarrenbox. Wo du dann das Geld reinlegst, bevor er zur der Nummer kommt.“

Er verstand mich.

Danach verging noch eine Weile. Drei oder vier Wochen. Wir sahen uns da nicht so oft, weil er auf einer Fortbildungsreise war. Als wir uns wieder trafen, sprach er mich auch auf meine Fantasien an – und ob sie mich noch beschäftigen würden.

„Seit ich 16 war“, erwiderte ich.

„Vielleicht solltest du mal testweise so eine Kontaktanzeige als Hobbyhure schalten. Du musst ja auf nichts eingehen, aber du könntest auf diese Weise testen, wie es sich anfühlt … Und auch wenn es Zeitverschwendung ist, macht es dich vielleicht für die Selbstbefriedigung scharf.“

Er hatte nicht unrecht. Als ob ich nicht schon selbst genau dasselbe gedacht hatte. Umgekehrt könnte ich es auch so deuten, dass er mich ein wenig manipulierte. Doch konnte ich ihm Vorwürfen machen? Ich wollte doch manipuliert werden.

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