Mein Name ist Antonia. Ich glaube, verglichen mit anderen Menschen, führe ich ein eher normales Leben. Ich habe keine großen Laster und obwohl ich mich nicht als langweilig bezeichnen würde, kann ich nicht gerade behaupten, dass ich irgendwie besonders abenteuerlustig wäre. Mit einer etwas seltsamen Ausnahme. Und diese hat sehr viel mit „Outdoor“ zu tun.
Ich habe eine komische exhibitionistische Ader, die ich aber nur auf eine sehr spezifische Art und Weise ausleben kann. Ich mag es nackt outdoor zu spazieren. Aber nur nachts.
Nun bin ich mir auch nicht sicher, ob das wirklich Exhibitionismus ist. Denn vom Exhibitionismus erwartet man sich irgendwie Zuschauer – ob freiwillige oder nicht. So habe ich es als Kind gelernt und so würde ich gewarnt: der Exhibitionist entblößt sich irgendwo spontan auf dem Bahnhof, in dem er seinen Mantel öffnet. Gesehen habe ich es mit eigenen Augen nie. Aber mir war immer ganz klar, dass ein solches Schattengewächs sehr von seinem Publikum abhängig ist. Wenn niemand da ist, der seinen Pimmel sehen kann, wird die Handlung sinnlos.
Aber bei mir ist es genau umgekehrt. Ich möchte nicht gesehen werden. Deshalb mache ich meine Ausflüge und meine Aktionen immer nur jenseits der Stadt, an Orten, die sich zwar oft sehr urban anfühlen, doch relativ verlassen sind.
Ich denke, die Angst spielt durchaus eine große Rolle. Das ist vermutlich der wahre Kick dabei, welcher meinen Puls beschleunigt und mir Adrenalin in den Kreislauf pumpt. Denn obwohl ich ausschließlich zu sehr extremen Uhrzeiten „auf die Piste“ gehe, nicht selten kurz vor dem Morgengrauen, und damit versuche die Chance, gesehen oder erwischt zu werden, sehr niedrig zu halten, ist es mir zugleich auch wichtig, dass eine gewisse Chance erhalten bleibt. Ich hoffe, nicht gesehen zu werden. Aber dass ich gesehen werden kann, das berauscht mich ein wenig.
Es ist ein sinnliches Abenteuer. Angefangen hat es harmlos, als ich mal vor vielen Jahren mit meinem damaligen Freund leicht beschwipst von einer Party nach Hause schlenderte und die letzten 10 Meter bis zur Haustür das Sommerkleid einfach mit einer spontanen Bewegung auszog. Ich hatte nichts darunter, keinen Slip, keinen BH und das hat dann meinem Freund natürlich gefallen. Die Sache war ja auch total sexuell.
Aber diese winzige Outdoor-Anekdote, kaum 20 Sekunden lang, blieb mir irgendwie im Gedächtnis. Und ich kehrte in Gedanken in den darauffolgenden Monaten immer wieder dazu zurück.
Irgendwann ergab sich erneut eine Gelegenheit. Diesmal war ich allein unterwegs. Ich hatte mich einer Gruppe aus Sternengucker angeschlossen, weil ich auch mal durch ein Teleskop blicken wollte. Das war alles ganz nett, aber nach einer Stunde wurde es mir dann etwas zu langweilig, während die Enthusiasten erst langsam in Fahrt kamen. Also schlich ich mich recht unauffällige davon und trat mit Taschenlampe in der Hand den etwas kurvigen Kiesweg zur Straße. Das war richtig weit, bis ich mein Auto erreichen würde.
Ich trug ein leichtes Sommerkleid, ein Höschen und eine kleine Schultertasche. Also verschwand der Slip als erstes in der Tasche. Im Grunde hatte ich den Schalk im Nacken und wollte mir den Rückweg etwas kurzweiliger gestalten. So zog ich auch noch das Kleidchen aus, knüllte es schnell zusammen und steckte es in die Tasche.
Nun ging ich splitternackt los, ganze zehn Minuten, bis ich mein Auto am Wegesrand erreichte. Ich fühlte mich relativ sicher, weil es hier stockdunkel war, der Mond war nicht sichtbar und ich mit einer dicken Taschenlampe um mich herum leuchtete. Ich schätze, auch wenn man mich aus der Ferne gesehen hätte, man hätte sich wenig einen Reim darauf machen können.
Es war amüsant und ich lächelte dann im Auto auf dem Heimweg die ganze Zeit. Aber in meinem Kopf begann sich langsam ein klares Konzept herauszuschälen. Und mein zehnminütige nudistischer Heimweg mit der Taschenlampe in der Hand, zahlte einfach noch nicht auf dieses Konzept ein.
Ich begann immer wieder darüber nachzudenken, gewagtere Strecken nachts entlang zu gehen. Dabei suchte ich gut beleuchtete Hauptstraßen und große Parkplätze an Stadträndern. Ich begann in meinem Alltag ein wenig danach Ausschau halten und zu erforschen, welche Straßenzüge und Vororte für meine Spinnerei geeignet waren.
Und dann fing ich damit einfach an. Und ich mache es bis heute und finde es immer noch ziemlich aufregend. Ich mache es ungefähr zweimal oder dreimal im Monat. Es ist ja etwas mühsam, denn im Grunde setzt es voraus, dass ich um drei Uhr, oder halb vier morgens noch (oder schon) wach bin. Wenn der begehrte Austragungsort etwas weiter weg ist, muss ich die Anreise mit einkalkulieren.
Ich fahre dann hin, normal angezogen, aber in einer Art und Weise, wo ich mir selbst gefalle, wo ich mich sinnlich und erotisch finde, aber eben nicht zu extrem aus der Reihe falle. Doch zugleich muss es die Art von Bekleidung sein, die ich mit zwei oder drei Handgriffen ausziehen oder anziehen kann. Ich trage immer Pumps mit High-Heels.
Bei der Ankunft parke ich mein Auto, steige aus und spaziere erstmal ein wenig durch die Gegend. Gerade wenn es ein neues Gebiet ist, das ich für mich entdecke. Ich schaue mir an, wie oft hier Autos vorbei fahren, dass hier nicht irgendeine schräge Bar ist, aus der plötzlich zehn angesoffene Typen heraustorkeln. Das wäre nicht so gut. Es sind ja meistens etwas verschlafene Nester, wo ich meinem Fimmel nachgehe.
Mein Auto gilt immer als der Zielpunkt meines Abenteuers. Den Anfangspunkt muss ich immer zu Fuß erreichen. Ich schlendere also entlang der Straße, vorbei an irgendwelchen Häuerreihen, bis ich einen Punkt erreicht habe, wo ich das Gefühl habe, dass er gerade noch so erträglich ist. Damit meine ich, dass ich Angst hätte, einen längere Strecke lang zu gehen.
Hier stelle ich meine Schultertasche ab, ziehe meinen Kleidchen aus, oder den Rock und die Bluse, gegebenfalls den BH und packe sie alle in die Tasche rein. Die lasse ich dann hier am Straßenrand, oder aufeiner Parkbank stehen. Beim gehen wäre sie mir zu hinderlich. Ich will die Freiheit genießen, denn das ist ein wichtiger Teil der Erfahrung. Dass ich mich frei fühle. Dass ich die Arme vom Körper strecken kann und einfach die kühle Nachtluft auf der Haut spüre.
Und so beginne ich meinen nackten Marsch. Im „Eva-Kostüm“. Ich nenne es meinen „Night Walk“, was nicht sehr originell ist, aber gut passt. Dabei spüre ich mich so vollständig, am ganzen Körper, mit jedem Härchen auf meiner Haut. Es ist dieses Gefühl, etwas Unerlaubtes zu tun, die Angst dabei gesehen oder erwischt zu werden, aber auch eine besondere Sinnlichkeit. Ich glaube, da ist auch ein seltsamer, etwas irregeführter Stolz dabei, dass ich dazu den Mut aufgebracht habe.
Es ist ein wenig, wie wenn jemand einen breiten Fluß oder einen großen Wasserkanal durchschwimmen möchte. Es gibt da diesen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, in der Mitte des Kanals, wo das Ziel aber noch genauso weit weg ist.
Bei mir ist es auch so. Ich habe keinen Assistenten oder Beschützer bei mir, der bequemerweise auch noch eine Decke trägt, in die ich mich jederzeit in Sekundenschnelle einwickeln könnte. Ich habe nichts dabei, nur meine High Heels. Und während die Tasche mit meinen Klamotten hinter mir zu einem unsichtbaren Punkt in der Dunkelheit wird, ist das ersehnte Auto noch sehr weit vor mir.
Aber wenn ich dann auch meine eigene Mitte erreicht habe, wo das Auto vor mir und die Tasche hinter mir gleich weit weg sind, schlägt mein Herz wie verrückt, während ich mich intensiv und sinnlich spüre.
Es ist eine seltsame Macke, ich weiß. Und ich habe wirklich keine andere.
Mir ist auch ganz klar, dass was ich da mache, nicht ganz ungefährlich ist, denn Männer reagieren unterschiedlich auf eine solche Situation. Und natürlich habe ich Angst auf die ganz schlimme Reaktion. Passiert ist mir dabei noch nie etwas. Aber ich bin sicherlich schon sechs oder sieben Mal gesehen worden. Vielleicht mehr.
Am häufigsten passiert, dass das entsprechende Auto einen Kilometer weiter gleich einen U-Turn macht. Der Fahrer will sozusagen nochmal an mir vorbeifahren und sich vermutlich davon überzeugen, dass er keiner optischen Täuschung zum Opfer fiel. Wenn ich das sehe, verschwinde ich z.B. im Gebüsch, oder in einem Häusereingang. Einmal fuhr der Typ dann noch mindestens fünfzehn Minuten hin und her, und seine Vehemenz machte mir wirklich Angst.
Einmal stand plötzlich eine ältere Frau vor mir, sie war aus einem der Reihenhäuser rausgekommen, am Rande der Siedlung. Sie war besorgt, dass ich irgendeine Sexsklavin war, die ihrem Peinige entfliehen sollte, oder etwas in der Art. Mich brachte das in große Verlegenheit und ich stammelte etwas davon, dass ich eine Wetter verloren habe. Die restlichen 300 Meter zum Auto ging ich dann deutlich schneller, während mir die Frau stirnrunzelnd hinterher blickte.
Wenn ich wieder beim Auto bin, schnappe ich mir als erstes den Autoschlüssel, den ich vorher immer auf den Reifen lege. Mich verfolgt immer ein wenig dieser Lust-Albtraum, dass mich anfangs jemand beobachtet, wie ich das Auto parke und sieht, wie ich den Schlüssel am Reifen verstecke. Und aus Jux nimmt er mir diesen Schlüssel weg, während ich weg bin. Wenn ich dann endlich, splitternackt und vollgepumpt mit Adrenalin, beim Auto angekommen bin, kann ich den Wagen nicht öffnen, weil der Schlüssel weg ist. Denn das würde bedeuten, dass ich die gesamte Strecke wieder zurück gehen muss, bis ich wieder meine Tasche mit der Kleidung erreicht habe. Davor habe ich wirklich Angst.
Und der Albtraum wäre steigerbar durch die Vorstellung, dass ich dann an der Stelle ankomme, wo sich meine Tasche befand, doch in der Zwischenzeit hat jemand auch sie entfernt. Das wäre ein ziemlicher Horror. Aber solche Befürchtungen zu haben ist ein Teil des Kicks. Und in dem Augenblick, in dem ich neben meinem PKW in die Hocke gehe, mit der Hand in der Dunkelheit am Autoreifen taste und dann plötzlich den Schlüssel spüre – ergießen sich Ströme aus Endorphin durch mein Gehirn und meinen Körper.
Ich klettere dann zügig nackt in das Auto, atme erstmal tief durch und bleibe eine Minute sitzen, bis ich mich innerlich wieder etwas heruntergefahren habe. Dann werfe ich den Motor an und fahre zu meiner Tasche, die ich dann auflese. Meistens steige ich nochmal kurz aus und ziehe mich ordentlich an.
Nur damals, als mir dieser Typ auflauerte und mit seinem Auto die Gegend absuchte, blieb ich nur einige Sekunden am Straßenrand stehen, öffnete meine Tür kurz, griff nach der Tasche, warf sie auf den Beifahrersitz und düste sogleich weiter. Ich war dann nackt bis ich zuhause eintraf. Auf dem Parkplatz zog ich mich dann im Auto an. Dazu setzt frau sich am besten um, auf den Beifahrersitz. Das geht dann ganz gut.
Ich mache meine Ausflüge nun schon seit Jahren. Es ist eine saisonale Angelegenheit, die echte Sommernächte voraussetzt. Ich mache es aber auch gerne im Regen, oder in den Morgenstunden im Juli oder August, wenn es kurz mal regnet und die Straße ist nass und Laternen in den Pfützen glänzen. Das gefällt mir besonders gut. Die Luft riecht dann so wundervoll und ich muss trotz all der nackten Haut nicht frösteln.
Nun ist es natürlich so, dass ich es gerade aus diesen meteorologischen Gründen nicht so oft machen kann, um damit den Ruf eines regionalen Phänomens zu erlangen. Wofür ich wirklich dankbar bin. So richtig tolle Nächte, wo das Wetter dazu perfekt passt, gibt es jährlich nur einpaar. Die Saison beginnt im Juni und endete im September. In dieser Zeit kann ich höchstens 10 Ausflüge unterbringen – wenn die Temperatur mitspielt.
Und auch dass ich dazu neige, ständig neue Plätze für meine Aktion zu wählen, trägt sicherlich dazu bei, dass die einzelnen Personen, die mich mal gesehen haben – sei es aus dem Auto, aus dem Lastwagen, oder durch das Fenster des eigenen Schlafzimmers -, sich darauf keinen besonderen Reim machen können.
Wie gesagt, ich liebe die Angst, erwischt zu werden, möchte aber nicht erwischt werden.
Mich also von einem Fotografen begleiten zu lassen, war schon etwas besonderes für mich. Ich habe dabei nicht dieselben Gefühle empfunden. Es war irgendwie ganz anders. Seine Präsenz machte die Sache irgendwie mehr zu einem Kunstprojekt. Als wäre er so eine Art Helmut Newton und ich sein Modell. Ich denke, ich habe die passenden Beine dafür, aber es war doch auch interessant zu sehen, dass seine Anwesenheit meinen Kink im Grunde lahm legte. Aber das war OK, wir haben es für die Fotos gemacht. Aber für mich fühlte es sich so an, als würde ich etwas „nachspielen“.
Das nächste Mal werde ich natürlich wieder allein unterwegs sein. Es gibt noch mindestens acht neue Plätze, die ich zur später Nachtstunde ausprobieren möchte. Falls du mich also siehst, wie ich splitternackt, auf meinen High-Heels entlang der Straße wandele, sei bitte nett und freundlich. Du darfst mich anschauen und mach von mir aus ein Foto. Aber mir wäre es lieber, du sprichst mich nicht an. Und schon gar nicht würde ich es wollen, dass du mir nachstiefelst und glaubst, dass wir irgendwas heißes anfangen.
Ich weiß selbst nicht, warum ich so bin, wie ich bin. Und ich finde meinen Kink eher harmlos. Würden sich allerdings negative Erfahrungen häufen, was bis jetzt nicht der Fall ist, dann würde ich damit sicherlich aufhören.
Meine größte Überraschung bei den nächtlichen Aktionen war, als ich mal gemerkt hatte, dass ich am Ende meines Spaziergang total feucht war. Damit hatte ich nicht gerechnet, denn um ehrlich zu sein, empfinde ich keine Erregung, während ich da nackt lustwandle. Ich genieße eher den Augenblick, sorge mich ein wenig, dass plötzlich das vorbeifahrende Auto anhält. Oder dass mich die Polizei erwischt.
Aber später im Auto macht mein Finger im Schritt deutlich, dass meine Seele dabei in Wirklichkeit sehr erregt wird. Ohne, dass ich es in all der Aufregung merke. Das Leben ist schon seltsam.
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