Ich habe schon eine ganze Weile nichts aus meiner etwas zwanghaften sexuellen Erlebniswelt berichtet. Nicht etwas, weil ich all die Zeit auf dem Trocknen saß, sondern weil viele der Episoden eher das übliche Suchtverhalten spiegelten und meinen ewigen Drang, irgendeinen rätselhaften Schatten in meinem Leben zu vertreiben, in dem ich mit fremden Männern ficke.
Diese Anekdote spielte sich im April ab und begann gerade nicht mit einem Fremden.
Für mich ist ja die Fremdheit des Mannes kein Muss und keine eiserne Regel. Ich habe seit dem Beginn meines sexuellen Tagebuchs vor 25 Jahren insgesamt über 2762 mal Sex gehabt, mit rund 660 Männern. Da ist also eindeutig eine Bereitschaft zur Wiederholung mit den selben Herren. Wenn es sich eben ergibt.
Der Anruf kam unerwartet, war aber alles andere als Unangenehm. PT war ein alter Liebhaber, eine alte Flamme, wie man früher sagte. Nicht unbedingt eine Beziehung damals. Aber Männer, mit denen ich eine Beziehung hatte, rufen mich in der Regel nicht mehr an. Dafür bin ich zu sehr eine Beziehungskatastrophe. Mit PT hatte ich vor vierzehn Jahren viermal geschlafen. Aber ich erinnere mich sehr gut, dass wir auch viel Zeit mit Reden verbracht haben. Eigentlich sah ich in ihm durchaus einen Freund, aber dann liefen die Lebenslinien wieder auseinander und so verloren wir uns aus den Augen. Aber ich wusste damals, dass er eine schwerkranke Ehefrau hatte und einen vierjährigen Sohn.
Die Leute verfluchen jemanden, der eine kranke Frau zuhause hat und gleichzeitig fremdgeht. Aber ich sage, wer Urteile fällen will, soll dafür sorgen, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen. PT kümmerte sich äußerst liebevoll um seine Frau, den kleinen Jungen – und hatte zugleich einen Vollzeit-Job. Als ich ihn kennengelernt hatte, war er von der multiplen Belastung psychisch ziemlich angeschlagen. Wir hatten damals nur viermal gefickt, aber ich hatte durchaus den starken Eindruck, dass ihm das gut tat. Dass es ihm Energie gab, wieder zurück in den Ring des beschwerlichen Alltags zu steigen und weiterhin den endlos erscheinenden Kampf aufzunehmen. Es ist sehr leicht aus einer bequemen, entfernten Position über so jemanden zu urteilen und moralische Sprüche zu klopfen.
Ich war sehr überrascht seine Stimme zu hören. Wir plauderten ein wenig. Er erzählte mir, dass seine Frau bereits neun Jahre zuvor verstorben war. Ich hatte gedacht, dass er eine Runde Sex suchte und irgendwo auf einem zerknüllten Zettel meine Telefonnummer fand. Ich hätte es ihm nicht verübelt. Und dieser Eindruck verstärkte sich bei mir noch, als er mich beiläufig und unscheinbar befragte, ob ich denn verheiratet sei, oder einen Freund habe.
Ich wollte ihn beinahe etwas aufziehen und sagen: „Keine Sorge, ich bin immer noch die gleich Nympho-Hure, wie damals.“ Aber PT ist ein recht sensibler Mann und ich wollte ihn nicht unnötig in Verlegenheit bringen. Solche höflichen, nachdenklichen Menschen erscheinen mir zunehmend eine Seltenheit – und so versuche ich damit behutsamer umzugehen.
Sein eigentliches Anliegen verschlug mir die Sprache.
Er begann mir von seinem Sohn zu erzählen und dass dieser bald seinen achtzehnten Geburtstag feiern würde. Dann rückte PT mit der Wahrheit raus. Mehr durch Zufall hätte sich herausgestellt, dass sein Sohn noch nie Sex hatte, ja nicht einmal eine Frau geküsst habe.
„Mit siebzehn? Das ist doch nicht ungewöhnlich“, wandte ich am Telefon ein. „Und es könnte auch eine einfache Antwort darauf geben. Ich glaube, man nennt es Homosexualität.“
Doch PT widersprach mir: „Ich hatte ihm deutlich gesagt, dass ich ihn 100%ig unterstützen würde, sollte er schwul sein. Mich hätte das nicht gestört und es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe ich mir ähnliche Fragen gestellt.“
„Sollte er mit siebzehn nicht lieber eine nette Freundin haben. Er wird sich doch erschrecken, wenn er meine Lachfältchen sieht.“
„Glaub mir, das wird nicht der Fall sein. Ich habe gehen, was er so auf seinem Computer hat. Er ist weder schwul, noch hat er ein Problem mit Frauen, die älter sind als er.“
Sehr diplomatisch ausgedrückt, dachte ich mir und frage lieber piquiert: „Was soll das denn heißen?“
„Er hat eine ziemliche Passion für allerlei MILF-Pornos. Nennt man das nicht so?“
„Lassen wir mal kurz beiseite, dass du in dem Computer deines Sohnes schnüffelst.“
„Ich mache mir einfach nur sorgen. Er hat auch sonst keine Freunde und ist sehr schüchtern. Ich denke, vieles hat damit zu tun, dass er ohne Mutter aufgewachsen ist.“
„Das würde die MILFs erklären“, witzelte ich. „OK, aber du rufst mich nicht etwa an, weil du möchtest, dass ich deinen Sohn entjungfere.“
PT räusperte sich etwas verlegen.
„Ich weiß, dass das ein bizarres Anliegen ist. Aber damals… Als wir… Ich habe dich als eine verständnisvolle, ausgewogene Frau kennengelernt. Und du weißt gar nicht, wie viel Gutes du mir damals getan hast, in einer wirklich schweren Zeit.“
Ich stöhnte etwas und verfiel in Schweigen.
Trotz meiner Identität als nimmersatte Schlampe, zieht es mich nicht zu Jünglingen hin, die noch so aussehen, als hätten sie Reste der Plazenta auf der Stirn. Ich mag struppige Männer, mit behaarter Brust, einem Siebentagebart und Nikotinflecken auf den Fingern. Keine frisch geschlüpften Küken.
Auf der anderen Seite war mir Alter schon immer etwas egal. Ich habe dafür nicht einmal eine Position in meiner geheimen Liste. Der älteste Mann, mit dem ich schlief, war ein relativ bekannter Künstler, der heute nicht mehr lebt und damals 79 Jahre alt war. Und der sah aus, wie eine getrocknete Pflaume, der jemand eine kleine – aus einer Büroklammer geformte – Brille aufgesetzt hatte. Aber er war ein wundervoller kreativer Denker und ich hatte damals plötzlich starke Lust bekommen zu spüren, wie er in meinen Mund ejakuliert.
Somit – mit einem gerade volljährig gewordenen Jungen zu schlafen würde mir nicht gerade einen Zacken aus meiner kaiserlichen Krone herausbrechen, oder?
„Hat er irgendeinen schockierenden Defekt, den ich kennen sollte?“, frage ich ein wenig gedankenlos und dachte sogleich, dass er mir das schon vor vierzehn Jahren erzählt hätte, wenn sein Kind behindert gewesen wäre.
„Nein“, beteuerte PT. „Es ist ein gesunder, aufgeweckter Junge. Nur sehr schüchtern. Ich dachte halt, an seinem Geburtstag wäre das eine Sache, die es nicht ganz so schräg macht …“
„Du müsstest ihn aufs Stillschweigen einschwören. Zumindest für einige Jahre.“
„Aber es ist doch nicht illegal“, wunderte sich PT.
„Es ist nicht illegal und würde ihm keinen Schaden bringen, wenn er davon seinen Kumpels erzählt. Es geht um dich. Mit so einer schrägen Geschichte könntest du durch die Eltern seiner Mitschüler irgendeinen Shitstorm heraufbeschwören.“
„Eigentlich hat er nicht so viele Freunde“, erklärte PT.
Was stimmte mit dem Jungen nicht?
„OK“, sagte ich. „Aber du bringst hier nicht hierher. Er soll allein kommen. Das hier ist nicht irgendein italienischer Film über den Anfang des Zweiten Weltkriegs und ich bin nicht die Dorf-Dirne.“
PT ergab sich in dankbaren Worten, doch ich unterbrach ihn sogleich.
„Sag mal, hat er eigentlich deine Penisgröße geerbt, wenn wir schon dabei sind?“
„Gotteswillen, Belkis“, rief PT leicht entsetzt aus. „Woher soll ich das wissen? Ich habe ihn seit 12 Jahren nicht mehr gebadet!“
Ich musste lachen. Wir vereinbarten noch einige Details und ich warf – zugegeben etwas kopfschüttelnd – das Handy auf den Tisch. Was hatte ich mir da wieder eingebrockt? Schon wieder ein Blind Date? Ob das gut geht?
Ich hatte schon mal mit Typen unter 20 geschlafen. Aber zumeist waren das ausgebuffte Gauner und notorische Schürzenjäger. Der eine oder andere ist später Callboy geworden. Das hier war eigentlich ziemliches Neuland für mich.
FORTSETZUNG FOLGT!
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